In seinem Spielfilmdebüt zeichnet Shawkat Amin Korki ein sensibles Bild des Tages von Saddams Husseins Fall aus der Sicht zweier kurdischer Freiheitskämpfer (Peshmerga), die auf der Strasse einen kleinen, weinenden, arabischen Jungen treffen. Der erste, der sich an seinen eigenen Bruder erinnert, hat Mitleid und will ihm helfen, während sich der andere zunächst weigert, einzugreifen. Unglücklicherweise heisst der Junge auch noch Saddam.
Carlos Lechuga erzählt ihre Liebesgeschichte und betrachtet dabei mit leisem Humor die Tücken des Lebens und wie die Menschen in Kuba sie meistern.
Aldo und Monica sind ein kubanisches Liebespaar, das mit seinem spärlichen Einkommen irgendwie durchkommen muss. Um dieses aufzubessern, vemieten sie ihre Wohnung an eine Prostituierte aus der Stadt, bis das Geschäftsmodell auffliegt. In Kuba gab es vor mehr als 50 Jahren eine Revolution, die vieles bewegt hat, auch viele Gemüter. Irgendwann hat sich die Revolution, die definitionsgemäss eine Bewegung ist, verlangsamt, und heute bewegt sich an vielen Orten auf der wunderbaren Insel nichts mehr. Alles wirkt wie eine eingefrorene Bewegung. Von diesem Stillstand erzählt uns Carlos Lechuga in seinem ersten Spielfilm mit ausgeprägtem Sinn für die Fotografie und Gespür für die Rhythmen. Auffallend ist schon die Tatsache, dass er seine Geschichte fernab von Havanna ansiedelt, der Hauptstadt mit ihrem noch immer unübertroffenen Charme des Zerfalls, den wir auch aus unzähligen Filmen kennen.
Rafina ist eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen. Mit ihrem Bruder und ihrer Mutter teilt sie eine kleine Wohnung in Karachi. Eigentlich sind ihre Zukunftsaussichten klar umrissen, sie soll heiraten, Kinder bekommen, eine bescheidene, den Traditionen gehorchende Ehefrau sein. Aber Rafina hat anderes vor Augen: Vom Balkon ihres Zimmers aus fällt ihr Blick jeden Tag auf eine überlebensgrosse Werbetafel mit einem perfekten Model. Zu gern wäre Rafina ein Teil der luxuriösen Welt der Mode und Schönheit. Sie überredet Rosie, eine Freundin von Rafinas Mutter, ihr eine Stelle als Aushilfe im exklusiven Schönheitssalon „Radiance“ zu verschaffen. Hier treffen sich die Reichen und Schönen der Stadt, hier wird getratscht, geraucht und sehr freizügig geredet und hier werden Models für Werbung und Modenschauen ausgebildet und vermittelt. Rafina ist begeistert von dieser neuen Welt, doch plötzlich findet sie sich zwischen zwei Männern wieder, deren Vorstellungen von Pakistan und der Rolle der Frau in der Gesellschaft höchst unterschiedlich sind.
Hunderttausend Inderinnen und Inder, landlose Bauern und Ureinwohner – die Adivasi – unterwegs zu Fuss. Auf staubigen Strassen, auf dem National Highway, durch Dörfer und Städte. Der im grossen Stil betriebene Abbau von Bodenschätzen, das Anlegen immenser Plantagen und mächtige Infrastrukturprojekte haben dazu geführt, dass sie vertrieben und der Grundlagen ihres friedvollen Lebens beraubt wurden – und werden. Jetzt sind sie aus dem ganzen Land angereist, um gemeinsam für eine Existenz in Würde zu kämpfen. Unter ihnen der charismatische Rajagopal, Leader und Vordenker der Bewegung. Ihr Protestmarsch führt von Gwalior ins 400 Kilometer entfernte Delhi. Sie widersetzen sich der Hitze, trotzen Krankheiten, nehmen Entbehrungen auf sich. Nicht zum ersten Mal beweist Christoph Schaub Gespür für ein interessantes Thema. Leider machte ihm die Politik einen Strich durch die Rechnung: Als er nach ausführlicher Recherche nicht zum Dreh einreisen durfte, musste Kamal Musale, ein indischer Regisseur mit Schweizer Pass, seinen Platz vor Ort einnehmen. Schaub mutierte so zum Fernbedienungsregisseur und für den Schnitt Verantwortlichen.
Argentinien, 1960. Das Mädchen Lilith ist schon zwölf, wirkt aber höchstens wie neun. Es wächst kaum noch. Das fällt auch dem deutschen Arzt Helmut Gregor auf, der Liliths Familie nach dem Weg nach Bariloche fragt. Da die Familie ohnehin dorthin reist, fährt er hinter ihrem Wagen her.
Schon in diesen Anfangsszenen kreiert die Regisseurin und Autorin Lucía Puenzo mitten in der Weite Patagoniens eine beklemmende Atmosphäre.
Nach und nach wird dem Zuschauer bewusst, dass Helmut Gregor ein medizinisches Interesse an Lilith hat. Als Gast im Familienhotel im Skiort Bariloche bietet Gregor an, das Mädchen kostenlos mit Hormonen zu behandeln, um ihr Wachstum wieder anzuschieben.
Liliths Vater ist dagegen, die Mutter jedoch dafür. Der Vater scheint zu ahnen, dass mit dem Deutschen etwas nicht stimmt. Mit «El secreto de Wakolda» verfilmte Lucía Puenzo einen eigenen Roman, der schildert, wie der untergetauchte Nazi-Arzt Josef Mengele in ihrem Heimatland Argentinien gelebt haben könnte.
Als Ali das einzige Paar Schuhe seiner Schwester Zahra zum Schuster bringt, wird es ihm von einem blinden Müllsammler geklaut. Er traut sich nicht, es seinen Eltern zu sagen. Seiner Schwester leiht er seine eigenen Schuhe. Künftig muss sie nachmittags zurückrennen, um sie ihrem Bruder für seinen Schulgang zu geben. Weil es das Mädchen nicht immer rechtzeitig schafft, fehlt Ali, eigentlich ein fleissiger Schüler, immer öfters beim Unterricht. Doch da bietet sich bei einem Wettkampf zwischen den besten Läufern aller Schulen die Möglichkeit, ein Paar Turnschuhe zu gewinnen.
«Glückspilze» ist eine Reise aus den Tiefen eines russischen Slums zu den Lichtern der Zirkuswelt und den Abenteuern einer Tournee durch die Schweiz. Der quirlige Danja ist Halbwaise, und sein Vater sitzt im Gefängnis. Der streitlustige Igor wurde kürzlich um ein Uhr morgens auf der Strasse aufgegriffen. Seine alleinerziehende Mutter ist mit ihren vier Kindern überfordert. Nastja und Mischa sind von Zuhause abgehauen, weil sie es nicht mehr aushielten. Doch da ist Larissa mit ihrem innovativen Kinderzirkus «Upsala». Sie nimmt sich der Rabauken an und katapultiert sie in ungeahnte Höhen. Eine geplante Tournee in die Schweiz lockt, und das Training mit der Clownin Gardi Hutter wird zum einmaligen Erlebnis. Bilder des schillernden St. Petersburg kontrastieren mit den heruntergekommenen trostlosen Plattenbauten der Stadt. Doch die herzliche bunte Zirkuswelt überstrahlt alles. Dieser äusserst berührende Dokumentarfilm ist wunderschön, witzig und sehr berührend. In einer Zeit in der die Adoption von russischen Kindern nicht nur in diplomatischen Kreisen für Schlagzeilen sorgt, gewinnt der Film zusätzlich an Bedeutung.
Im pazifischen Ozean sind Plastikabfälle zum "sechsten Kontinent" gewachsen. Die in kleinste Partikel zerfallenen Abfälle gelangen inzwischen in die Nahrungskette. Der Film lässt Wissenschaftler und Experten aus den Bereichen Produktion, Umweltschutz, Wissenschaft und Forschung zu Wort kommen und sucht dabei alternative Lösungen und Vorschläge, wie die Umweltprobleme gelöst werden können.
Die 6-jährige Abi lebt in einem Wohnblock, in dem Menschen aus verschiedensten Ländern wohnen. Abi’s Abenteuer handeln auf spielerische Weise von Verständnisproblemen, die durch Unkenntnis der Tradition anderer Kulturen entstehen können. Im 1. Film wird sie von einem äthiopischen Freund zum Essen eingeladen, im 2. Film begegnet sie muslimischen Nachbarinnen mit Hijab und gelben Lederschuhen.
Eine Giraffe, die sich gegen Ungerechtigkeit zur Wehr zu setzt, wird aus ihrer Heimat vertrieben und landet im Land der Hunde. Alleine und nur auf sich gestellt kämpft sie mit ihrer Grösse, dem ungewohnten Essen und der abweisenden Haltung der Hunde. Endlich findet sie bei einem Gärtner Arbeit und Freundschaft. Doch dann wird ihr Asylantrag abgelehnt …
Der Patriot Hausi führt ein geregeltes Leben in seinen vier Wänden. Als ein Nachbar ausländischer Herkunft einzieht, ertönen statt vertrauter Jodler plötzlich türkische Klänge aus dem Radio. Hausis Ängste werden so übermächtig, dass er daran zu ersticken droht. Erst die Rettung durch seinen neuen Nachbarn lässt die Begegnung mit dem Fremden zu.
Am einzigen Grenzübergang zwischen Indien und Pakistan auf 3‘323 Kilometern kommt es allabendlich zu einem einzigartigen Spektakel, bei dem tausende Menschen – Inder/-innen wie Pakistani – ihren Nationalstolz zur Schau stellen. Mit dem Ritual wird die Trennung zelebriert. Gleichzeitig kommen sich die ehemaligen Nachbarn so nahe wie sonst nie.
Helle Haut als Schönheitsideal verführt viele Mädchen und Frauen in Afrika dazu, ihr Äusseres verändern zu wollen. Der Film inszeniert die Befindlichkeit des Ungenügens in einem spannenden Mix von Collage, Animation und Tanz. Er thematisiert dabei geschickt die rassistischen Ursachen des Minderwertigkeitsgefühls und deren Verfestigung durch die heutigen Medien.
Zwei unterschiedliche Geschichten während der Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen in Kenia 2007/2008: Die Kenianerin Anne hat es besonders schlimm erwischt. Ihr Ehemann ist tot und ihr Sohn liegt im Koma. Hinzu kommt, dass sie vergewaltigt und ihre Farm niedergebrannt wurde. Sie steht vor den Trümmern ihrer Existenz. Doch Anne gibt alles, um sich wieder zu rehabilitieren und langsam ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Anne ist fest entschlossen, ihren Peinigern, die so viel Leid über sie und ihre Lieben gebracht haben, zu vergeben. Dann ist da noch Joseph, der bei dem Überfall auf Anne einer der Mittäter gewesen ist. Sein Gewissen plagt ihn, er weiss nicht recht mit der Sache umzugehen. Joseph versucht die Vergangenheit hinter sich zu lassen und neue Perspektiven in seinem Leben zu finden. Anschliessend Filmgespräch mit Judy Kimbinge, Moderation Helena Nyberg
Ein Vater aus Neu-Delhi, der mit dem Reparieren von Reissverschlüssen die Familie kaum über Wasser halten kann, schickt seinen 12-jährigen Sohn zum Geldverdienen in eine andere Provinz. Der Junge sollte eigentlich nach einem Monat wieder nach Hause kommen, taucht aber nicht mehr auf. Auf der Suche nach seinem Kind trifft er, ein Analphabet, auf all die Widrigkeiten, denen die Kinder in Indien ausgesetzt sind. Richie Mehta drehte seinen "Siddharth" in Delhi und Mumbai, wodurch ihm ein realistisches Abbild von Indien gelungen ist. Kommentarlos zeigt er die derben Abgründe, welche die Armut mit sich zieht. Der 2013 in Venedig und Toronto präsentierte Film beweist, dass ein Filmemacher der Diaspora auch einen differenzierten Blick auf sein Herkunftsland haben kann, ohne auf westliche Klischees und lokale Tabus zurückzugreifen.
Was haben Occupy, die spanischen Indignados und der arabische Frühling gemeinsam? Was verbindet die Demokratiebewegung im Iran mit dem Kampf in Syrien? Wo sind die Berührungspunkte zwischen den ukrainischen Oben Ohne-Aktivistinnen von Femen und den oppositionellen Protesten in Ägypten? Die Gründe für den Protest sind in jedem Land ganz unterschiedlich, aber die kreativen gewaltfreien Taktiken sind sehr ähnlich und inspirieren sich gegenseitig auf überraschende Weise.
Als roten Faden zeigt «Everyday Rebellion» die unkonventionellsten und kreativsten Methoden von Widerstand und stellt das Leben und Arbeiten von Aktivisten rund um den Globus vor, die oftmals das eigene Leben im Kampf um eine bessere Zukunft riskieren. Der Film ist eine Hommage an die Kraft und die Macht, die zivilem Ungehorsam und den kreativen, gewaltfreien Protestformen weltweit innewohnt. Ein hoffnungsvolles und mitreissendes Filmexperiment.
«Wir kamen um zu helfen» reflektiert die Geschichte der Schweizer Entwicklungshilfe in Ruanda von 1960 bis zum Genozid 1994. Der Film basiert auf Erzählungen der ehemaligen ruandischen und Schweizer Mitarbeiter zweier erfolgreicher Projekte, der Verkaufsgenossenschaft TRAFIPRO und der Banque Populaire.
Ruanda 1973 – eines Morgens fand sich an den Eingangstüren der Schweizer Entwicklungshilfe eine Liste mit Namen von Tutsis, die per sofort aus der Verkaufsgenossenschaft TRAFIPRO entlassen wurden. Die Schweizer Entwicklungshelfer waren empört über diese rassistische Massnahme, doch keiner wehrte sich, weil keiner das erfolgreiche Entwicklungsprojekt gefährden wollte.
20 Jahre später wiederholte sich diese Geschichte und mündete in einen Genozid von über 800’000 Menschen. Erst diese Katastrophe führte zu einer Neuorientierung der Schweizer Entwicklungshilfe und ihrem temporären Rückzug aus dem Land.
Diese ruandische Erfahrung war eine harte Bewährungsprobe für die Schweizer Entwicklungshilfe, und der Film stellt Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen von Entwicklungshilfe im Kontext einer grossen politischen Krise.
1999 kommt es in einer Kleinstadt im Norden Chinas zu schrecklichen Leichenfunden. Bei der Festnahme der mutmasslichen Mörder ereignet sich ein blutiger Zwischenfall, bei dem zwei Polizisten sterben und einer schwer verletzt wird. Der überlebende Polizist, Zhang Zili, wird vom Dienst suspendiert und arbeitet fortan als Wachmann in einer Fabrik. Fünf Jahre später geschehen wieder mysteriöse Morde. Mit Hilfe eines ehemaligen Kollegen nimmt Zhang auf eigene Faust Ermittlungen auf. Er entdeckt, dass alle Opfer in Beziehung zu einer jungen Frau standen, die in einer Reinigung arbeitet. Zhang gibt sich als Kunde aus, nimmt ihre Verfolgung auf und verliebt sich in die schweigsame Wu Zhizhen. An einem kalten Wintertag macht er eine furchtbare Entdeckung. Er gerät in Lebensgefahr und muss erfahren, dass Schuld und Unschuld nicht immer zu trennen sind. Mit den Figuren des einsamen Ex-Polizisten und der Femme fatale zitiert Diao Yinan den klassischen Detektivfilm. Sein dritter Spielfilm ist ein Film noir in entsättigten Farben, der mit diesem Genre spielt und gleichzeitig in das Leben ganz gewöhnlicher Menschen führt. «Bai Ri Yan Huo» gewann dieses Jahr den Goldenen Bären in Berlin.
Die Wüste erstreckt sich endlos – flach, grau, unerbittlich. Kein einziger Baum, kein Grashalm oder Felsen. Nur eines gibt es hier im Überfluss: Salz. Salz ist überall, nur wenige Meter unter der sonnengebackenen Erdoberfläche. Dies ist die Little Rann of Kutch, ein 5’000 Quadtratkilometer grosser, ehemaliger Meerbusen.
Jahr für Jahr ziehen tausende Familien in Indien für endlose acht Monate in diese Wüste, um Salz aus dem glühenden Boden zu holen. Mit jedem Monsun werden ihre Salzfelder weggespült und die Wüste verwandelt sich in Meer. Trotzdem kehren die Salzbauern zurück, voller Stolz, das weisseste Salz der Erde zu produzieren. Fasziniert von dem Thema hat Farida Pacha in der Salzwüste von Kutch, im Westen Gujarats, im Laufe eines ganzen Jahres unglaubliches Material sammeln können und daraus einen preisgekrönten Dokumentarfilm gestaltet. Diese Vorstellung wird vom Claro Laden Thusis gesponsort. Um 17.00 offeriert der Claro Laden einen Apéro. Anschliessend Filmgespräch mit Farida Pacha, Moderation Helena Nyberg
Drei Stunden ausserhalb von Addis Ababa wird die 14-jährige Hirut auf ihrem Schulweg von Männern auf Pferden entführt. Die mutige Hirut greift nach einem Gewehr und versucht zu fliehen, doch der Versuch endet damit, dass ihr zukünftiger Ehemann erschossen wird. In ihrem Dorf gehört die Entführung in die Heimat zu den alten Traditionen Äthiopiens. Die Anwältin Meaza Ashenafi kommt aus der Stadt, um Hirut vor Gericht zu vertreten. Zeresenay Berhane Mehari, in Äthiopien geboren und in den USA ausgebildet, drehte «Difret» in der Nationalsprache Amharisch. Das Wort „difret“ hat doppelte Bedeutung: Es heisst „mutig sein“, aber auch „vergewaltigt werden“. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film fragt nach einem möglichen Aufbruch des Landes in die Moderne und danach, was geschieht, wenn jahrhundertealte Traditionen gebrochen und Glaubenssätze aufgekündigt werden.
Rafael putzt bei Philips und bereitet sich akribisch auf seine Pensionierung vor. Ein paar neue Schuhe, eine neue Frisur – der neue Lebensabschnitt will bestens vorbereitet sein. Aber dann kommt alles anders, Pensionierung Fehlanzeige. Das andere Leben, das parallel zu Rafaels verläuft, ist das von Lidia. Sie kümmert sich um eine kranke ältere Dame, deren Hündin Princesa und Haus. Als die Chefin stirbt, erbt Princesa alles, mit samt den Angestellten. Lidias Aufgabe ist es, die Hündin genau so weiter zu hegen und zu pflegen wie bisher. Ist alles gleich geblieben? Nicht ganz. Mit langsamen und kleinen Schritten versuchen die Beiden dem monotonen Alltag zu entfliehen.
Das Fussballstadion in Kirkuk, dem kurdischen Norden Iraks, ist der Hauptschauplatz des Spielfilms von Shawkat Amin Korki. Hier haben sich die verschiedensten Familien eingenistet, um darauf zu warten, dass sich ausserhalb des Stadions das Leben wieder normalisiert. Ihr improvisierter Alltag ist zur Normalität geworden. Die Gegenwart ist alles, was sie haben, jede Minute eine Preziose, denn schon die nächste kann die letzte sein. Das gilt ja eigentlich überall auf der Welt und für alles Leben, aber hier und in diesem Stadion, das zum Lebensraum einer bunten Menschengruppe geworden ist, ganz besonders intensiv und verrückt.
Amin Korki hat sich für Schwarzweiss als Hauptfarbe entschieden und darin einzelne Tupfer eingebaut, die mit zum Charme seiner stillen Komödie gehören und zum Spiel, das er sich erlaubt. Es ist, als würde er uns bedeuten: Verliert nur zwei Dinge nie im Leben: Die Liebe und den Humor. Auch wenn alles zum Verzweifeln ist.
Wie kann man von extremer Gewalt erzählen, ohne sich in Exzessen zu verlieren? Regisseur Mohammad Rasoulof zeigte in Cannes einen Film, der im Iran aufgrund der Zensur nie ins Kino kommen wird.
Der Film dreht sich um das Manuskript eines Romans, dessen Veröffentlichung um jeden Preis verhindert werden soll. Morteza und Khosrow erhalten in Teheran die Anweisung, drei regimekritische Schriftsteller zu liquidieren. Das Attentat ist so angelegt, es als Selbstmord aussehen zu lassen. Bald wechselt die Perspektive zu den drei renitenten Schriftstellern. Diese werden, einem Paranoia-Thriller entsprechend, mit Überwachungskameras rund um die Uhr beobachtet. Rasoulof wechselt ständig den Blick zwischen den drei Schriftstellern, deren Lage immer bedrohlicher wirkt, und einem der auf sie angesetzten Killer. Es ist verstörend zu sehen, dass Quälen und Töten für diesen Mann etwas ganz und gar Alltägliches geworden sind. Im letzten Bild lässt ihn Rasoulof in einer Menschenmenge verschwinden. Die Mörder sind unter uns. 2010 wurde Rasoulof wegen seiner regimekritischen Arbeiten zu sechs Jahren Haft verurteilt; später wurde die Strafe auf ein Jahr mit Bewährung reduziert.
Peter reist von Deutschland nach Buenos Aires, um jene Frau zu finden, in die er sich vor einiger Zeit Hals über Kopf verliebt hat und mit der er zusammenleben will. Er hat von ihr aber nicht viel mehr als den Namen, eine Adresse, die nicht mehr stimmt, und die Erinnerung an verzaubernde Momente. Peter trifft fürs Erste auf Olinda, die eine Quartierkneipe führt und selber vor einem halben Jahrhundert auf der Suche nach ihrer grossen Liebe in Argentinien gestrandet war. Allein schon das Dekor und die gute Küche lohnen den Besuch in Olindas Kneipe und Hernández‘ stimmigen Film über das Lieben im Leben.
Die Filmemacherin Paula Hernández gehört heute zu den Schlüsselfiguren des argentinischen Filmschaffens. Filme wie «Lluvia» oder «Un amor» waren auch bei uns zu sehen und haben mit ihrem sensiblen Blick in den Beziehungsalltag überzeugt. Jetzt ist es trigon-film gelungen, Paula Hernández Erstling «Herencia» in die Schweiz zu bringen. Auch wenn die Premiere schon ein paar Jährchen alt ist: Hier lohnt es sich bestimmt. Eine kleine Perle, in der es bereits um das zentrale Thema im Werk der Argentinierin geht, um die Liebe, die Welten versetzen kann und Menschen in jeder Beziehung bewegt.
Dalton (1935-1975) war, wenn man so will, der Bertolt Brecht von Mittelamerika, ein marxistischer Dichter mit revolutionärer Überzeugung und klarer Sprache, die nicht vor volkstümlicher Ausdrucksweise oder Schimpfworten zurückschreckte. Er war ein antikapitalistischer Pionier, half beim Aufbau von Guerillagruppen, war zwei Mal zum Tode verurteilt (und entkam zwei Mal), bereiste im Exil ganz Lateinamerika, Europa (u.a. auch Wien), China und Korea. Die Umstände seiner Ermordung durch eine Fraktion seiner eigenen Organisation sind bis heute nicht ganz geklärt.
Leisch inszeniert die Spurensuche in “Roque Dalton – Erschiessen wir die Nacht!” als Reise durch das Land, bewaffnet mit einem (teils animierten) Pappaufsteller Daltons und einem dicken Buch mit ausgewählten Werken. Sie spricht mit Wegbegleitern, Freunden, seiner Witwe und seinen Geliebten, fängt die warme Erinnerung an den Volkshelden ebenso ein wie die Bewunderung für dessen Kampf – und wie schon bei “Gangster Girls” werden teils Dialoge in Form eines Theaterstücks auf die Bühne und damit vor die Kamera gebracht. Anschliessend Filmgespräch mit Tina Leisch, Moderation Daniel von Aarburg
Culture-Clash auf den Sandpisten Burkina Fasos. Die Tour du Faso ist Afrikas grösstes Radrennen. Auf zehn Etappen quer durch Burkina Faso kämpfen europäische Radsport-Abenteurer und afrikanische Lokalmatadoren leidenschaftlich um die Verwirklichung ihrer Träume.
Zwar ist das seit 1987 jährlich stattfindende Rennen eine Adaption der Tour de France. Dennoch hat es sich einen Charakter als zwar „gescheiterte“, aber viel sympathischere Kopie des europäischen Originals bewahrt. So fährt man teilweise bei 40 Grad im Schatten auf unbefestigten Strassen, die Werbekarawane besteht aus zwei Jeeps und die Fahrer schlafen in Zeltlagern mitten in der Savanne. «Tour de Faso» nimmt die Zuschauer mit auf eine Zeitreise zurück in vorkommerzialisierte Radsport-Jahrzehnte. Wir lernen den Radsport, Afrika und den Kampfgeist sympathischer Underdogs in ihrem ursprünglichen Charakter kennen. Es bleibt spannend bis zum Schluss – nicht nur in der Frage, wer am Ende siegt, sondern auch inwieweit sich die kulturellen Fronten überwinden lassen.
Wir freuen uns sehr, dass der bekannte indische Menschenrechtsaktivist Rajagopal P.V. an diesem Focus spricht. Rajagopal wird auch bei den beiden Aufführungen von «Millions Can Walk» (Di 4.11. 19:15 und So 9.11. 9:00) anwesend sein und an Filmgesprächen teilnehmen Diese werden von Küde Meier von CESCI moderiert.
Im Jahre 1975 lebt die sechzigjährige Ayshe in einem türkischen Fischerdorf westlich von Trabzon, wo sie seit dem Tod ihrer älteren Schwester zunehmend vereinsamt. Der Nachbarsjunge Mehmet, zu dem sie ein grossmütterliches Verhältnis entwickelt hat, sorgt sich um sie. Niemand weiss um Ayshes seit fünf Jahrzehnten gehütetes Geheimnis: Vor ihrer Adoption war sie die Tochter orthodoxer pontischer Griechen, die in der Türkei lebten. Ihr Taufname war Eleni. Fünfzig Jahre nach der Separation von ihrem Bruder, von dem sie als Kind getrennt wurde, nun willens, ihre eigenen Wurzeln zu erkunden und den verlorenen Bruder zu finden, reist sie nach Griechenland.
«Waiting for the Cloud» ist nicht nur ein Film über ein dunkles und nach wie vor mit einem Tabu behaftetes Thema türkischer Geschichte, sondern er erzählt auch von erlebten Traumata und dem schmerzhaften Prozess der Bewusstwerdung und Auseinandersetzung mit erlebtem und erlittenem Schrecken. Eingebettet ist das Ganze in unvergleichlich schöne Naturaufnahmen eines fast unwirklichen Ortes, vor dessen atemberaubendem Hintergrund die menschlichen Tragödien noch schärfer konturiert erscheinen.
Die von Mythen umwobene malische Stadt Timbuktu wird von Dschihadisten übernommen, die ihre Vorstellungen des Lebens mit Mitteln von Gewalt und Einschüchterung der muslimischen Bevölkerung aufzwingen wollen. Diese lebt zwar längst nach den Regeln des Korans und sieht sich mit einem Mal Vorschriften gegenüber, die mit ihrem Glauben nichts zu tun haben. Sissako zeichnet seine religiöse Extremisten nicht als üble Kerle, sie sind vielmehr ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Fanatikern, unfähig, im Alltag zu bestehen und voll von Widersprüchen. Für die Menschen in Timbuktu ist es nicht nachvollziehbar, warum sie nicht mehr rauchen, musizieren oder Fussballspielen sollen, warum selbst die Fischverkäuferin auf dem Markt Handschuhe tragen muss. Zu den Glanzpunkten dieses federleicht daherkommenden Films über die Tragödie religiösen Fundamentalismus› gehört ein Fussballspiel ohne Ball. Bravourös erzählt Sissako in atmenberaubenden Bildern und einer Sanftheit, die das Drama, das er betrachtet, erst recht hervorhebt.
Das ist ein poetischer Reisebericht zur einzigartigen Musik des argentinischen Maestro Eduardo Falú (1923 – 2013) und gleichzeitig ein lebensnahes Portrait dieses grossartigen Musikers. Ausgehend von seiner speziellen Beziehung zur Landschaft im Nordwesten Argentiniens, zu seiner Heimatstadt Salta, zu den weiten Ebenen der Pampa, zum hochaufragenden Gebirge der Anden mit seinen dramatischen Schluchten, fruchtbaren Tälern und kargen Hochebenen, verfolgt das Filmportrait die Stationen seines Lebens und seiner Karriere.
Die Geschichte der Dorfgemeinschaft Sannai im indischen Madhya Pradesh gibt einen faszinierenden Einblick in die Stärke von Gewaltfreiheit: «Ahimsa». Nach einem langen gewaltfreien Kampf gelingt es den Adivasi – Teil der indischen Urbevölkerung – mehr Recht auf Land und Wasser zu erstreiten. In einer von Korruption und Kastenkonflikten geprägten Gesellschaft unterstützen Aktivist/-innen der Basisbewegung «Ekta Parishad» die Adivasi in ihrem beharrlichen Kampf.
Allen voran der charismatische Begründer von «Ekta Parishad»: P.V. Rajagopal. Er berichtet über die Geschichte und die Erfolge seiner beharrlichen Arbeit, die in den 70er Jahren begann. Damals gelang es ihm und seinen Gefährten, eine grosse Gruppe von «Dacoits» – Rebellen, die grosse Teile des Cambal Valley beherrschten – zur Niederlegung ihrer Waffen zu überzeugen. Im Film berichten ehemalige «Dacoits» von ihrem Gesinnungswandel und wie sie sich den Gandhi-Nachfahren anschlossen. Gemeinsam kämpfen sie heute für die Rechte der Landlosen, Vertriebenen und unterdrückten Minderheiten in Indien.
Welche Rolle spielt die Ungleichheit der Löhne in der Verschlechterung der wirtschaftlichen Gesundheit, für die soziale Struktur und die Demokratie eines Landes? Eine ernste Frage, der sich der amerikanische Ökonom Robert Reich in seiner Vorlesung für die Berkeley-Studierenden mit einer gehörigen Portion Schalk annimmt. Grafiken, Interviews und bewusst absurde Beweisführungen begleiten den Unterricht des ehemaligen US-Arbeitsministers unter Bill Clinton.
«Inequality For All» schafft es, eine Debatte über die Krise auszulösen und einfache Antworten zu liefern. Insofern kann der Film als eine Art ökonomische Entsprechung zu Al Gores «An Inconvenient Truth» (2006) betrachtet werden. Für seinen als Komödie angelegten Dokumentarerstling erhielt Jacob Kornbluth den Jury-Spezialpreis am Sundance Film Festival 2013.
Leidenschaft, Konflikte, Überzeugungen, Zweifel: «The Square», dessen Titel eine Hommage an den Tahrir-Platz in Kairo ist, begleitete über mehrere Jahre Demonstranten bei der ägyptischen Revolution, die mit Hosni Mubaraks Sturz nicht und noch lange nicht zu Ende gehen sollte. Monat über Monat, Demonstration über Demonstration versuchen die Protagonisten mit opferwilligem Einsatz, eine neue Gesellschaft aufzubauen.
Seit seiner Weltpremiere am Sundance Film Festival 2013, wo er den Publikumspreis erhielt, kann «The Square» eine beeindruckende Sammlung von Auszeichnungen vorweisen: Den People’s Choice Award beim Toronto International Film Festival im September, den IDA Award für den besten Film der International Documentary Association, und nicht zuletzt ein Platz in der Endauswahl für den Oscar 2014 in der Kategorie bester Dokumentarfilm.
„Maria, irgendwann wird dich jemand bemerken und erkennen, wie besonders du bist …“, notiert Maria in ihr Tagebuch. Sie schreibt sich auch sehnsüchtige Liebesbriefe. Niemand bemerkt ihre Verzweiflung. Wie auch, Maria ist unscheinbar und spricht kaum. Auch nicht mit den Jungs, die sie öfter mit sich schlafen lässt, einfach so. Danach schlägt sie sich fest ins Gesicht. So kann ihr Leben nicht weitergehen.
Anstatt ihren letzten Schultag mit den anderen zu feiern, packt Maria ihren Rucksack, nimmt einen Überlandbus und fährt los, quer durch Mexiko. Sie erlebt ein ebenso schönes wie verkommenes Land mit jungen, alleine gelassenen Müttern und Männern auf der Suche nach anderen Frauen. Wer Glück hat, schafft es über die Grenze in die USA. Dann begegnet Maria einem jungen Mann, der anders ist. Respektvoll, aufmerksam und sogar zu schüchtern, um ein Hotelzimmer mit ihr zu teilen. Der Film ist nicht nur ein stilles Roadmovie. Er ist auch ein Gedicht aus sorgfältig komponierten Bildern und Tönen. Unschärfen spiegeln die Wahrnehmung der introvertierten Protagonistin.
Nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak, beschliessen die kurdischen Jugendfreunde Hussein und Alan einen Film über die Anfal Operationen, den Genozid des irakischen Regimes gegen die kurdische Bevölkerung im Nordirak, zu drehen. Aber das Filmemachen im Nachkriegskurdistan ist kein einfaches Spiel und die schwierigste Aufgabe scheint das Finden der weiblichen Hauptdarstellerin. Doch dann taucht plötzlich Sinur auf: jung, schön und vom Projekt begeistert. Aber Sinur kann nicht alleine entscheiden: ihr Cousin Hiwar und sein Vater, Onkel Hamid, haben ihr Schicksal in der Hand. Die Probleme werden immer grösser, sie haben kein Geld mehr, aber Hussein und Alan opfern alles um weiterdrehen zu können. Doch dann, in einem tragischen Moment, wird Hussein während des Drehs der finalen Szene angeschossen. Die grösste Frage von allen: Wird es der Film jemals auf die Leinwand schaffen? Anschliessend Filmgespräch mit Shawkat Amin Korki, Moderation Hüseyin Haskaya
Schlosser Sebastián ist dreiunddreissig und nicht wirklich beziehungsfähig. Dies ändert sich natürlich auch nicht, als seine Freundin Mónica ihm mitteilt, sie sei schwanger, wisse aber nicht genau von wem. Als er eines Tages ganz normal am arbeiten ist, legt sich plötzlich ein merkwürdiger Nebel über die Stadt. Sebastián hat spannende Visionen von einigen seiner Kunden. Denen liest er gehörig die Leviten. In ungewöhnlich poetischer Manier nimmt sich Natalia Smirnoff den Themen Engagement, Vaterschaft und Abtreibung an. Sowohl visuell als auch akustisch vervielfacht sie Elemente, die dadurch zum Ausdruck für das Fantastische werden: Sebastiáns spezielle Gabe, der Nebel, das Klimpern der Schlüssel sowie die Spieldosen mit ihren obsessiven Melodien. «Lock Charmer» lief im Wettbewerb des letzten Sundance Film Festivals.
Ah Taos Leben ist von Beginn an von wenig Freude geprägt: Sie wächst als Waise auf und darf auch danach nie erfahren, wie es ist, eine Familie zu haben. Sie wird zwar von einer Familie adoptiert, allerdings stirbt ihr Adoptivvater nur kurze Zeit später während der japanischen Besetzung Chinas. Die verbliebene Adoptivmutter sieht sich ausser Standes, Ah Tao allein grosszuziehen und schickt sie auf Arbeitssuche. Die junge Frau findet eine Anstellung als Haushälterin und Mädchen für alles im Hause der Familie Leung. Seither sind 60 Jahre vergangen und sie war für die Erziehung von drei Generationen mitverantwortlich. Allerdings sind bis auf den Filmproduzenten Roger (Andy Lau) mittlerweile alle Familienmitglieder emigriert. Dann erleidet Ah Tao einen Schlaganfall und benötigt erstmals in ihrem Leben selbst Hilfe. Da Roger wenig Zeit hat, gibt er sie in ein Altersheim. Dort angekommen, hat Ah Tao erhebliche Schwierigkeiten, sich an diese neuartige Situation zu gewöhnen. Sie ist es nicht gewöhnt, anderer Leute Plänen und Zeitvorgaben zu folgen.
Mumbai, München und Tokio: Drei Fahrschulen, drei Fahrschüler und fünf Nationen: Wenn man den Führerschein in einem anderen Land noch einmal machen muss, prallen Kulturen aufeinander.
Der Amerikaner Jake ist fasziniert von Japan und versucht als Grafikdesigner in Tokio Fuss zu fassen. Mirela hängt ihren Job in der Modebranche in Deutschland an den Nagel, um ein eigenes Fashionlabel in Indien zu gründen. Hye-Won ist ihrem Mann aus Südkorea nach Deutschland gefolgt, lebt nun mit Kind und Hund in München und studiert Musikwissenschaften. Um in ihrer neuen Wahlheimat selbstständig zu werden, müssen alle drei Auto fahren – und brauchen dafür einen neuen Führerschein. «You Drive me Cracy» lässt uns teilhaben am grossen und amüsanten Drama hinter dem Lenkrad, am charmanten „Kampf der Kulturen“ zwischen Fahrschülern und ihren Lehrern. Im Aufeinandertreffen mit ihren Fahrlehrern zeigt sich die Komik des „Andersseins“, aber auch die Verzweiflung an der Sprachlosigkeit, das Fremdsein jenseits der Heimat.
Janaína liebt einen Indigenen, der sich nach seinem Tod in einen Vogel verwandelt und danach mehr als ein Jahrtausend auf ihre Auferstehung wartet. Die Liebe überdauert alle Widrigkeiten, die sich im Laufe dieser Zeit zutragen: Im Jahre 1500 entdecken die Portugiesen Brasilien, 1800 hält die Sklaverei Einzug und 1970 findet die Militärdiktatur ihren Höhepunkt. Und 2096 bricht in Rio ein Krieg um Wasser aus.«Rio 2096: A Story of Love and Fury» erhielt 2013 am Internationalen Festival für Animationsfilm in Annecy den Crystal d’or und räumte auch sonst weltweit dutzende von Preisen ab. Eine echte Meisterleistung für einen der seltenen Animationsfilme für Erwachsene, der in Brasilien mit einem Budget von 4 Millionen produziert wurde und es in die Schweizer Kinos geschafft hat.
Hunderttausend Inderinnen und Inder, landlose Bauern und Ureinwohner – die Adivasi – unterwegs zu Fuss. Auf staubigen Strassen, auf dem National Highway, durch Dörfer und Städte. Der im grossen Stil betriebene Abbau von Bodenschätzen, das Anlegen immenser Plantagen und mächtige Infrastrukturprojekte haben dazu geführt, dass sie vertrieben und der Grundlagen ihres friedvollen Lebens beraubt wurden – und werden. Jetzt sind sie aus dem ganzen Land angereist, um gemeinsam für eine Existenz in Würde zu kämpfen. Unter ihnen der charismatische Rajagopal, Leader und Vordenker der Bewegung. Ihr Protestmarsch führt von Gwalior ins 400 Kilometer entfernte Delhi. Sie widersetzen sich der Hitze, trotzen Krankheiten, nehmen Entbehrungen auf sich. Nicht zum ersten Mal beweist Christoph Schaub Gespür für ein interessantes Thema. Leider machte ihm die Politik einen Strich durch die Rechnung: Als er nach ausführlicher Recherche nicht zum Dreh einreisen durfte, musste Kamal Musale, ein indischer Regisseur mit Schweizer Pass, seinen Platz vor Ort einnehmen. Schaub mutierte so zum Fernbedienungsregisseur und für den Schnitt Verantwortlichen. Am anschliessenden Filmgespräch nehmen Rajagopal und Karl Saurer teil, Moderation Küde Meier.
Der neue Deutschlehrer ist streng und gerecht und von einer grossen Liebe zur Literatur beseelt. Er will seine Schülerinnen und Schüler auch auf den Ernst des Lebens vorbereiten, der in den grossen Werken der Klassiker natürlich enthalten ist. Doch von Anfang an herrscht eine angespannte Stimmung zwischen den Jugendlichen, die gerade ihre Lieblingslehrerin verloren haben, und dem neuen, anspruchsvollen Lehrer. Nach einem Gespräch mit ihm ist die 17-jährige Sabina in Tränen aufgelöst. Als sie sich wenig später das Leben nimmt, hält die Klasse den neuen Lehrer Robert für den Schuldigen. Sie beginnt einen Klassenkampf mit ihm. Auch wenn ihnen jeder Beweis fehlt, wollen sie mit allen Mitteln seine Autorität brechen. Der Schulaufstand beschreibt die Identitätskrise des Lehrer-Daseins in unseren Gesellschaften ebenso präzise wie die Hybris einer Schülergeneration, die vor nichts mehr Respekt hat. Die Geschichte von «The Dead Poets Society» von Peter Weir erreicht uns hier in ihrer vollkommenen Umkehrung. Wo landen wir, wenn keinerlei Autoritäten mehr akzeptiert werden, nicht einmal mehr die der Poesie?
«Tumult im Urwald» nimmt endgültig Abschied von der Idee, die Naturvölker, so heissen sie wohl noch immer, müssten allesamt bessere Menschen sein als die zivilisationsverdorbenen Bewohner des Planeten, wie seinerzeit von Rousseau (und Karl May) kategorisch gefordert. Lisa Faessler beschreibt unbehauen und kommentarlos, mit frischer Neugier, was sie gesehen hat, wie immer schlecht es ihr oder andern in den Kram passt. Faessler beobachtet die Beobachteten bei ihren alltäglichen Verrichtungen und zugleich die Beobachterin Rival – (die französische Anthropologin Laura Rival doktorierte über die Huaorani. Sie lebte mehrmals einige Monate mit ihnen und interessiert sich insbesondere auch für das ,Speeren›, das Töten und Getötetwerden) – bei ihrer Forschung. So reflektiert sie als filmische Mittlerin das Unbehagen gegenüber diesem forschen Ethnographenblick.
Im Anschluss würdigt der Kameramann Pio Coradi Lisa Faesslers Leben und Schaffen.
Traditionell wird in den Dörfern in den Hochländern Ostanatoliens die Beschneidung in den Familien mit rauschenden Festen gefeiert. Eigentlich müsste sich auch Mert dem Zeremoniell unterziehen, doch fehlt seinem Vater einfach das Geld dafür. Auch Merts Mutter verdient mit dem Sammeln von Weidenruten zu wenig, als dass sich die Familie das erforderte Lamm leisten könnte. Aus Spass neckt Merts Schwester ihn mit der Aussage, dass, wenn sie sich kein Lamm kaufen können, eben Mert geschlachtet werden müsste. Doch damit beginnt das Chaos erst. Der Film zeichnet sich durch eine grosse Liebe zu seinen Figuren aus und beleuchtet sowohl die seelischen Nöte des verunsicherten Kindes als auch die Irrwege des schwachen, von der Last der Verantwortung überforderten Vaters. Dass die Mutter schliesslich eine Lösung findet, die ihr und den Kindern einen Weg in die Zukunft ermöglicht, gehört zu den überraschenden Wendungen des Films, in dem die winterliche Natur Anatoliens eine besondere atmosphärische Rolle spielt.
Khalo Matabane hinterfragt Nelson Mandela, den Helden seiner Kindheit, dessen Bilder damals offiziell verboten waren. Obwohl dazu erzogen, ihn vorbehaltlos zu idealisieren, entwickelte der Filmemacher eine wachsende Skepsis: Ging Mandelas Politik der Versöhnung zu weit? Welchen Preis muss das Land dafür zahlen? In Interviews mit internationalen Persönlichkeiten greift der Film die anhaltenden Kontroversen um den Mythos Mandela auf. Khalo Matabane ist preisgekrönter Filmemacher, Autor und Produzent. Die Doku-Fiktion „Conversations on a Sunday Afternoon“, die die Lage von Flüchtlingen in Südafrika erkundet, war Teil des offiziellen Programms auf dem Toronto Film Festival und gewann den Preis der ökumenischen Jury auf der Berlinale 2006. Sein erster Spielfilm „State of Violence“ (2010) fand regen Zuspruch unter Kritikern auf zahlreichen Filmfestivals, u.a. von Toronto und Berlin. 2013 erschien sein neuer Film «Nelson Mandela: The Myth and Me» ist ein Dokumentarfilm über die Kontroversen um Mandelas Politik der Versöhnung.
Zhigen löst das Versprechen ein, das er seiner Frau gemacht hat: Er kehrt in sein Heimatdorf zurück, um seinem Vogel die Freiheit zu geben, der sein einziger Freund im Alter war. Er wollte diese Reise allein machen, aber man vertraut ihm seine Enkelin Renxing an. Sie ist ein verhätscheltes Stadtkind, das gezwungen wird, mit ihm mitzugehen. Auf der Reise zur Grenze des traditionellen China – inmitten einer prächtigen Landschaft – lernen sich diese zwei Menschen kennen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie teilen Erinnerungen und erleben zusammen Abenteuer. Das kleine Mädchen entdeckt neue Werte – vor allem jene des Herzens. Gedreht wurde der Film hauptsächlich in Peking sowie in der Provinz Guangxi in Yangshuo, Guilin und in der Nähe von Sanjiang in Dörfern der Dong-Minderheit.